Von allen Verteidigungsstrategien bei dem Vorwurf der Unfallflucht ist dies die beste: „ich sage gar nichts“, d.h. einfach zu schweigen.
Zu schweigen darüber,
wer eigentlich mit Ihrem Fahrzeug gefahren ist, als es zum Unfall kam. Dies ist die beste und am meisten Erfolg versprechende Möglichkeit, sich zu verteidigen. Diese sollten Sie niemals leichtfertig und ohne jede Not aus der Hand geben: die Polizei im Unklaren darüber zu lassen, wer eigentlich Ihr Fahrzeug geführt hat.
Mag ja sein, dass Sie dieser Fahrzeugführer waren – aber warum sollten Sie dies denn der Polizei unbedingt auf die Nase binden? (Dies war eine rhetorische Frage. Auf diese Frage gibt es nämlich keine sinnvolle Antwort.)
Ob es sinnvoll ist, zuzugeben, der Fahrzeugführer gewesen zu sein, können Sie selbst erst nach Einsicht in die Ermittlungsakte beurteilen. Noch viel besser kann dies Ihr Rechtsanwalt nach Einsicht in die Ermittlungsakte beurteilen. Und bis zu diesem Moment gilt die alte Weisheit eines jeden Strafverteidigers – nein, nicht „Reden ist Silber, schweigen ist Gold.“, sondern: – „Erstens: Schnauze halten. Zweitens: Schnauze halten. Und drittens, ganz wichtig: Schnauze halten.“
Zu schweigen darüber,
ob Sie den Unfall bemerkt haben. Denn tatsächlich ist es gar nicht so einfach, Ihnen nachzuweisen, den Unfall tatsächlich bemerkt zu haben. Es gibt eine Menge Sachverständige, die viele Jahre ihres beruflichen Lebens damit verbringen, sich tagaus tagein mit vielen komplizierten Messgeräten in ausrangierte Autos zu setzen und damit alle möglichen Arten von Unfällen zu veranstalten, um festzustellen, welche Unfälle man spürt oder hört und welche nicht.
Und einer dieser Sachverständigen wird es dann sein, der am Ende vom Richter geladen wird und dazu Auskunft geben soll, ob Sie Ihren Unfall gespürt, gehört oder gesehen haben oder nicht. Und was der Sachverständige hierzu aussagen wird, steht in den Sternen.
Natürlich gibt es Unfälle, bei denen diese Frage des Gemerkt-haben-müssens nicht zweifelhaft ist. Wenn etwa ein Zeuge beobachtet hat, wie Sie nach dem Einparken intensiv die Front des hinter Ihnen parkenden Fahrzeugs inspizieren, ist klar, dass Sie was gemerkt haben müssen.
Trotzdem ist es nicht sinnvoll, zuzugeben, den Unfall bemerkt zu haben. Denn dies wird sich sowieso nicht für Sie auszahlen; eine etwaige Strafe würde deshalb nicht milder ausfallen. Außerdem können Sie nach Einsicht in die Ermittlungsakte noch immer zugeben, den Unfall bemerkt zu haben.
Zu schweigen darüber,
von welcher Schadenshöhe Sie ausgegangen sind, als Sie sich vom Unfallort entfernt haben. Denn genau diese von Ihnen angenommene Schadenshöhe ist es, die am Ende darüber entscheidet, ob Sie Ihre Fahrerlaubnis behalten (bei weniger als etwa 1.300 €) oder ob sie Ihnen entzogen wird (bei etwa 1.300 € oder mehr).
Vielleicht dachten Sie ja auch, dass nur das Kennzeichen des anderen Fahrzeugs beschädigt worden sein kann. Weil dann der Schaden, den Sie sich vorgestellt haben, nur bei etwa 20 € liegt, können Sie gar nicht bestraft werden. Im Falle eines belanglosen Schadens (also weniger als 30 bis 50 €) kommt eine Bestrafung wegen Unfallflucht nämlich grundsätzlich nicht in Betracht.
Zu schweigen darüber,
wann Sie auf den Unfall aufmerksam gemacht worden sind. Dies ist ein gar nicht so seltener Fall: dass man selbst gar nicht den Unfall bemerkt hatte, aber von Anderen darauf aufmerksam gemacht worden ist.
Wenn man sich z. B. zwischen dem Unfall und dem Aufmerksammachen bereits vom Unfallort entfernt hatte (weil man vielleicht zwei Straßen weiter auf Parkplatzsuche war und danach wieder zum Unfallort zurückgekehrt ist), begeht man keine strafbare Unfallflucht, wenn man sich jetzt erneut entfernt. Denn beim ersten Entfernen wusste man ja noch nicht vom Unfall, und beim zweiten Entfernen war der frühere Unfall bereits Vergangenheit.
Es gibt auch keinen vernünftigen Grund,
der dafür spricht, nicht zu schweigen. Denken Sie vielleicht, dass es Ihnen nützt, sich kooperativ zu verhalten und deshalb zu reden? Nein, am Ende wird der Richter einen geständigen und redseligen Angeklagten ganz genauso behandeln wie jeden anderen Angeklagten, der schweigt oder lügt.